Digitale Fahrtenschreiber oder fängt man mit Krümel Lemminge?

Für viele Versicherungen könnte es der Schlüssel zum Erfolg sein: Autos mit Fahrtenschreiber (Blackbox), damit der Versicherungsnehmer Rabatt bekommt.Durch die anhaltenden Verluste in der Kfz-Versicherung nimmt die Versicherungswirtschaft einen neuen Anlauf, um mittels Sammeln riesiger Datenmengen das Schadensrisiko genauer kalkulieren zu können. Dies soll durch den Einbau von Fahrtenschreibern in Autos geschehen. Um die Akzeptanz bei ihren Kunden durchzusetzen, bieten sie sogenannte Telematiktarife an. Der Kunde erhält für die Teilnahme und Montage dieses Fahrtenschreibers (Blackbox) vergünstigte Prämien. Nachdem wir den Speck riechen, stellt sich für den Versicherungsnehmer die Frage des Nutzens. Insbesondere unter dem Aspekt, dass der Versicherungskunde bisher enormes Einsparkapital durch das Vergleichen der Tarife verfallen lässt bzw. nicht nutzt, fragt man sich natürlich ob Einsparungen unter 5 Prozent der richtige Anreiz sind.

Daher wollen wir mal die einzelnen Punkte erörtern.

Die Technik

Die kleine, nur wenige Zentimeter große Blackbox ist mit GPS und Mobilfunk ausgestattet. Sie wird über die OBD-Schnittstelle mit der Fahrzeugsteuerung verbunden. Dadurch besteht ein vollständiger Zugriff auf die Fahrzeugelektronik. Wer Zugriff auf die Blackbox hat, der kann auch die Fahrzeugelektronik steuern. So kann man den Motor über Mobilfunk abschalten.

Was wird aufgezeichnet, welche Daten werden gesammelt?

Vorab muss man festhalten, dass durch diese Technik alle mit der Fahrzeugelektronik in Verbindung mit GPS zu ermittelnden Daten in Echtzeit speicherbar und nach Belieben über den integrierten Mobilfunk kabellos übertragbar und abrufbar sind. Eine Einschränkung der sammelbaren Daten ist für den Fahrzeuglenker nicht angedacht. Welche Daten sinnvoll sind, unterliegt wohl dem Ansinnen des Sammlers. Wenn man bedenkt, dass der Sammler generell die Meinung vertritt alles Wissen zu wollen, werden wohl auch alle Daten gesammelt und gespeichert. Irgendwann wird der Sammler daraus einen Nutzen ziehen. Folgende Daten sind könnten von Interesse sein: Abfahrt- Ankunftszeit, Fahrtdauer, Fahrtpausen, Länge und Art der Strecke, Geschwindigkeit, plötzliche Fahrtänderungen durch Bremsen und Beschleunigen, Einhalten der Abstände, Sitzposition, Spiegeleinstellung, Gurtnutzung, Reifendruck, Profiltiefe, Inspektionsstatus, Airbag, Anzahl der Insassen und, und, und.

Wer bekommt meine Daten

Die Daten werden von einem externen Dienstleister (wie T-Systems, Versicherer, Automobilhersteller) gesammelt. Wer die Eigentümer und Gesellschafter dieses / dieser Dienstleister sind, ist von enormer Bedeutung und unbedingt zu beachten. Die Berechtigung zur Einsichtnahme der Daten muss natürlich vertraglich geregelt sein. Es wird propagiert, dass die Versicherungen nur zusammengefasste Daten erhalten.

Ein Beispiel: Es werden keine „Fahrtenbücher“ an die Versicherung übertragen, sondern zusammengefasste Daten über einen gewissen Zeitraum (Woche oder Monat).

Hinsichtlich der Datensicherheit muss sich jeder selbst eine Meinung bilden. Gemeinhin gilt aber die Regel, dass der sicherste Ort meiner Daten ich selbst bin.

Worin bestehen meine Vorteile

Durch einen nutzungsabhängigen Tarif (pay as you drive PAYD) könnte man durchaus Prämien einsparen. Allerdings kann es auch sein, dass ich mehr bezahlen muss oder gar, außer der Pflichtversicherung (Kraftfahrzeughaftpflicht), keinen Versicherungsschutz (zum Beispiel bei Rasern) erhalte. Schließlich werden ja Art und Umfang der Kfz-Nutzung ausgewertet.

Das System bietet zudem eine Notfallmeldung, einen Ortungsdienst im Falle eines Diebstahls, eine Stauvermeidung / Stauwarnung oder auch eine unterstützende Beweisführung bei einem Unfall.

Was hat die Versicherung davon?

Blackboxen, die das Fahrverhalten aufzeichnen, könnten für Versicherungen mehr Licht ins Dunkel des Versicherungsnehmer bringen und für mehr Kontrolle sorgen.Anhand dieser Daten kann die Versicherung mein persönliches Fahrerprofil ermitteln und über sogenannte Scorerpunkte mein spezielles Risiko festlegen. Im Einzelnen werden wohl die zuvor genannten Daten ausgewertet. Somit kann die Versicherung sich die Fahrer aussuchen, die sie sich wünscht. Gleichzeitig kann eine „angemessene“ Versicherungsprämie kalkuliert werden, was die Gewinnerzielungsabsicht erheblich erleichtert. Allerdings sind jährliche Kosten von geschätzten 200 Euro je Fahrzeug recht erheblich. Hier sind bestimmt Einsparungen möglich beziehungsweise notwendig.

Gibt es Erfahrungen aus anderen Ländern?

In den USA ist diese Technik seit 2004 auf dem Markt. Es wird von bis zu 40% Bonus berichtet. Über Malus-Prämien gibt es keine Informationen. Umfragen zufolge soll sich in Europa eine Mehrheit für diese auf Telematik basierte Kfz-Versicherung aussprechen. In Italien wollen sogar 75% der Umfrageteilnehmer solche Tarife nutzen. In Spanien, Niederlande und Belgien werden solche Tarife bereits angeboten. Auch in Deutschland gibt es seit Januar 2014 den ersten Tarif von S-Direkt (Sparkassenversicherung) für vorläufig max.1000 Fahrzeuge.

Pro

Ich bezahle für meine Art der Fahrzeugnutzung, werde für wenige Jahreskilometer, Einhaltung der StVO und defensives, vorausschauendes Fahren belohnt.

Kontra

Durch diese Methode wird jeder Kfz-Fahrer gläsern. So kann man herausfinden, ob ich mich an die StVO halte, wo ich gestern war, wie lange und wo ich mein Kfz abgestellt habe. Auch wird die Solidargemeinschaft weiter verkleinert, sodass auf längere Sicht gesehen der Verbraucher nur Nachteile erlangt. Außerdem kann jede Behörde (zum Beispiel Finanzamt oder Polizei) den Zugriff auf diese Daten verlangen. Möglicherweise kommt auch der betrogene Partner daran.

Fazit

Die Versicherungswirtschaft muss Geld verdienen. Die Kraftfahrtversicherung hat jedoch in den letzten Jahren meist rote Zahlen geschrieben. Das begründet das Interesse das individuelle Risiko noch exakter bestimmen zu können. Um die Akzeptanz im Markt zu erreichen werden alle erdenklichen Vorteile, insbesondere Prämiennachlässe, versprochen. Hier sollte man sich vergegenwärtigen, dass das Interesse der Versicherungswirtschaft nicht meine Ersparnis sondern deren Unternehmensgewinne sind. Folglich erhält der Versicherungskunde keine Geschenke, sondern zahlt wie immer die Zeche. Hier fragt sich der mündige Verbraucher, was die Versicherungswirtschaft tatsächlich beabsichtigt, da im Moment Investitionen von ca. 200 Euro je Kfz notwendig sind. Welche Mehreinnahmen sollen mit diesen Daten generiert werden? Vielleicht sollten sie die Daten beim Automobilhersteller, der ja mit den nahezu serienmäßig eingebauten Navigationssystemen die technischen Voraussetzungen liefert, kaufen.

 

Bilder: artemisphoto & Feelart / FreeDigitalPhotos.net

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.